Innovation
durch Information

Infobroker machen Jagd auf Daten im Web

Rechercheprofis surfen im Firmenauftrag durch Archive und Datenbanken. Bisher gibt es erst 70 Selbstständige, und die Nachfrage steigt.

Von Constantin Gillies

Bonn - In der Fernsehwerbung sieht alles ganz einfach aus: Wer im Internet etwas sucht, braucht nur einen Begriff einzugeben. Dann läuft ein süßer schwarzer Hund los und bringt in Sekundenschnelle die gewünschte Information - wie einen Knochen - zurück. Soweit der TV-Spot der Suchmaschine Lycos. Doch jeder Surfer weiß, dass die Realität ganz anders aussieht: Der Hund bringt nämlich Hunderte von Knochen zurück, und den richtigen herauszufischen kann echte Knochenarbeit sein.

Schüler und Studenten mögen genug Zeit haben, um das Web stundenlang nach Informationen zu durchforsten - Unternehmen meist nicht. Davon lebt der Berufsstand der Infobroker. Sie durchsuchen für ihre Kunden die weltweiten Datenbanken nach Informationen und bereiten sie verständlich auf.

Ein typischer Auftrag eines Infobrokers: Ein Kunststoffhersteller plant, eine Fabrik in den USA zu bauen. Vor Baubeginn benötigt das Unternehmen folgende Informationen: Welche Anbieter gibt es auf dem lokalen Markt? Welche Zulieferer sind dort angesiedelt? Wie hoch ist das Preisniveau? Da besonders kleine Firmen keine eigene Rechercheabteilung haben, werden häufig Infobroker mit der Beschaffung solcher Brancheninformationen beauftragt. Viele der Datendetektive haben sich deshalb auf bestimmte Industrien oder Fachgebiete spezialisiert.

Infobroker Michael Vieweg von der IBC GmbH, Müllheim, ist zum Beispiel Experte für die chemische Industrie. Der gelernte Chemieingenieur wird häufig angerufen, wenn es darum geht, den Markt für chemische Produkte unter die Lupe zu nehmen. »Außerdem recherchieren wir, ob auf bestimmte Verfahren Patente existieren und in welchen Ländern«, berichtet Vieweg aus seiner Praxis. Ein weiteres Standbein der digitalen Auskunfteien ist die Recherche von Ausschreibungen im Ausland. Gerade hier können die Infobroker Mehrwert bieten, etwa wenn es darum geht, fremdsprachliche Fachausdrücke zu übersetzen oder den Kunden ausländische Verfahren zu erläutern.

Das Werkzeug der Infobroker sind Computer, Modem und Telefon. Wer aber glaubt, die Datendetektive seien lediglich bessere Internet-Surfer, irrt. Aus dem World Wide Web holen sich die Infobroker nur wenig Informationen: »Etwa 30 Prozent stammen aus dem Internet«, schätzt Infobroker Wolfgang Lutz aus Ulm. Zu oberflächlich seien hier die Daten und zu dubios die Verfasser. Hauptinfoquelle sind stattdessen kostenpflichtige Archive und Industriedatenbanken. Bei mehreren Dutzend dieser Dienste ist ein Profirechercheur in der Regel registriert. »Wichtiges kann man nur gegen Geld recherchieren«, so die Erfahrung von Broker Lutz.

Sich ein wenig mit dem Netz auszukennen macht also noch keinen Infobroker. Wie aber wird man Datendetektiv? »Studieren und danach auf die Fachkompetenz aus dem Studium aufbauen«, rät Reiner Schwarz-Kaske von der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis (DGI), Frankfurt. Wer also Maschinenbau studiert hat, spezialisiert sich auch als Infobroker am besten auf diese Branche. »Vor der Selbstständigkeit sollte man allerdings erst zwei bis drei Jahre in einem Unternehmen verbringen«, schränkt Schwarz-Kaske ein.

Es gibt zwar spezielle Studiengänge zum Thema Informationswirtschaft, doch den Absolventen dieser Fachrichtungen fehlt meist die Nähe zu einem Spezialgebiet. Die optimale Kombination laut Schwarz-Kaske: »Fachbezogen studieren und nebenher noch etwas Informationswissenschaftliches machen.«

Introvertierte Akademiker haben als Infobroker also keine Chancen. Denn, so Wolfgang Lutz, »das Wichtigste ist der ständige Kontakt zu den Unternehmen«. Wer nicht ständig mit Abteilungsleitern und Managern spricht, dem gingen schnell die Aufträge aus. Kollege Michael Vieweg von der IBC stimmt zu: »Kommunikationsbereitschaft ist sehr wichtig.« Und ein wenig Wadenbeißer zu sein schadet natürlich auch nicht, so der Datendetektiv.

Wer dennoch den Einstieg wagt, sei gewarnt: Die schnelle Mark gibt es im Infohandel nicht zu verdienen. Profis lassen sich ihre Dienste auf Stundenbasis bezahlen: Bei Lutz Infobroking kostet die Recherchestunde etwa 130 Mark, zuzüglich der Kosten für Telekommunikation und Datenbanknutzung. Ein Auftrag bringt im Durchschnitt 1500 Mark ein. Aber: »Die Auftragslage schwankt stark«, berichtet Michael Vieweg aus seinem Geschäft. Infobroking ist also kein Job mit garantiertem Monatseinkommen. Vielleicht gibt es auch deshalb in Deutschland nur 70 selbstständige Datendetektive.

Doch das könnte sich bald ändern. Experten sagen der Branche bereits eine rosige Zukunft voraus: »Das Internet hat die Nachfrage nach Rechercheprofis ordentlich angekurbelt«, bestätigt etwa Wolfgang Lutz. Die Do-it-yourself-Phase bei der Infobeschaffung sei vorbei. Auch Experte Schwarz-Kaske von der DGI glaubt: »Die Firmen merken, dass sie nicht mehr alles selber machen können.« Eigentlich logisch: Wenn der Heuhaufen stündlich wächst, wird es wichtiger, jemanden zu haben, der die Nadel im Heuhaufen findet.

Die Welt vom 16. Juli 2000